Das Rollfeld des Flughafens von Irkutsk ist trist. Der Asphalt ist rissig, in Hangars mir rostigen Dächern verfallen alte Propellermaschinen. Irgendwie stellt man sich genau so einen Flughafen in Sibirien vor.
Im Terminal dann die Ernüchterung: Aeroflot hat in Moskau mal wieder das Gepäck verschlampt (damit war eigentlich zu rechnen). Ein weiteres Problem: Die Flughafenmitarbeiter in Irkutsk können kein Wort Englisch. Das Ausfüllen der Verlustmeldung wurde somit zu einer mehr oder weniger lustigen Scharade. Irgendwie hat es aber doch funktioniert. Wenn das Gepäck mit dem nächsten Flug aus Moskau eintrifft, wird man mich bzw. unser Hostel informieren, so das Versprechen der Flughafenmitarbeiter.
Ok, also ab raus auf den Vorplatz des Flughafens, wo uns schon ein Taxifahrer mit einer Kapitänsmütze und drei Goldzähnen (sonst keine) abfing. Wie bei jeder ersten Taxifahrt an einem neuen Reiseziel, haben wir natürlich viel zu viel bezahlt.
Nach einer Portion Schlaf im Hostel ging es dann auf Erkundungstour in die sibirische Metropole.
Irkutsk wird auch das „Paris Sibiriens“ genannt. Die Stadt liegt an der Angara, dem einzigen Fluss, der aus dem Baikalsee abfließt.
Was einem in den Nebenstraßen sofort auffällt, sind die alten, reich verzierten und meist bunten Holzhäuser. Zwei drittel von ihnen fielen 1879 einem Großfeuer im Stadtzentrum zum Opfer. Von den Übriggebliebenen sind viele noch gut erhalten und gepflegt. Einige andere stehen allerdings auch kurz vor dem Zusammenbruch. Bewohnt sind sie aber trotzdem.
Die Nebenstraßen von Irkutsk sind meist grau und vom Zerfall geprägt. Hier sieht man am besten, dass es der einstigen Handelsmetropole nicht mehr ganz so gut geht.
Die Hauptstraßen sind jedoch äußerst prunkvoll und belebt. Nach dem Großfeuer wurde der gesamte Stadtkern wieder aus Stein neu gebaut. Wegen einhergehender Goldfunde fiel der Neubau entsprechend großzügig aus. Geht man die Karl-Marx-Straße oder die Leninstraße entlang kann man sich durchaus vorstellen, woher der Vergleich mit Paris herkommt.
Hier sind auch Designermarken angesiedelt und am Straßenrand parken Autos, deren Fahrgastzelle doppelt so groß ist, wie unser Doppelzimmer im Hostel. So wie Karl Marx und Lenin das auch gewollt hät… Oh, wait!
Nach unserem Streifzug ließen wir den Tag auch schon in einem hübschen Restaurant bei gefüllten Teigtaschen und hervorragendem Bier (Kozel) ausklingen. Übrigens ist es hier oft so, dass sich hinter eher unschönen Häuserfassaden sehr, sehr schöne Läden befinden. Man muss eben nur mal einen Blick hinein werfen.
Kulinarisch kommt hier bestimmt jeder auf seine Kosten. Sushi ist ganz groß, koreanisch, chinesisch, italienisch oder die russische Hausmannskost, da ist wirklich für jeden was dabei. Wir haben sogar eine französische Bäckerei zum Frühstücken entdeckt.
Nach einem durch den Jetlag verursachten komatösen Schlaf machten wir uns am nächsten Tag auf den Weg zum zentralen Busbahnhof um nach Listwjanka, einem Dorf direkt am Baikalsee zu fahren.
Nach einer halben Stunde Gefuchtel (Kommunikation zwischen uns und den Busfahrern) und Rumgerenne fanden wir dann tatsächlich den richtigen Minibus Richtung See. Listwjanka ist ca. 75 km von Irkutsk entfernt. Die ca.1,5 stündige Fahrt war erstaunlich komfortabel und führte durch die mächtigen Birkenwälder Sibiriens. Bezahlt haben wir für die Bustour umgerechnet schlappe 1,70€ pro Person.
Am Baikalsee angekommen wehte uns sofort ein herrlich frischer Wind um die Nase. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen um die 30°C bedeuten aber für Weißbrote Sonnenbrand-Alarmstufe Rot! Also flott die 50er Sonnencreme aufgetragen und ab zum See!
Das eigentliche Dorf Listwjanka liegt etwas weiter abseits des Ufers. Direkt am Ufer haben sich die Touristencafés und Märkte angesiedelt. Listwjanka ist ein sehr beliebter Ort für russische Tagesausflügler. Geht man ans Ufer riecht man die Kohlefeuer der Grillrestaurants und die Holzfeuer der Räucheröfen, in denen die frisch gefangenen Fische aus dem See geräuchert werden. An den Souvenierständen an der Uferpromenade findet man den gleichen geschmacklosen Kram wie in anderen Ländern auch.
Begibt man sich etwas weiter weg vom quirligen Zentrum, gelangt man an schöne Kiesstrände, an denen man auch seine Ruhe haben kann. Bei einer Wassertemperatur von ca. 7°C ist baden aber nur für Hartgesottene zu empfehlen.
Leider hatten wir nicht genug Zeit und die Umgebung oder auch weitere Orte am Ufer des riesigen Sees zu erkunden. Herrlich ist es dort aber, so viel können wir schon mal sagen.
Weil wir an einem Samstag dort waren und die russischen Touristen für ihr Wochenende am See einfielen, kam es am Nachmittag zu einem kleinen Verkehrsinfarkt an der Uferstraße. Für uns genau der richtige Zeitpunkt wieder den Bus nach Irkutsk zu suchen. Das ging dieses Mal deutlich einfacher von statten. Wir schlurften eigentlich nur über den Busparkplatz als uns ein Busfahrer nur „IRKUTSK IRKUTSK“ entgegen schmetterte. Ok, das war dann wohl der Bus nach Irkutsk.
Wieder in „Paris“ angekommen, machte sich wieder ein wenig Unruhe bei mir bemerkbar, weil der Flughafen sich weder bei mir noch im Hostel wegen dem Gepäck gemeldet hatte. Da wir jetzt buserprobt waren, nahmen wir deshalb den nächsten Bus zum Flughafen, um mal nachzufragen. Kaum im Terminal, sahen wir im Fenster zum Raum mit dem Gepäckband auch schon das fehlende Gepäck stehen. Der Flughafen hatte scheinbar keine Lust Bescheid zu geben.
Nun ja, Gepäck ist wieder da, alles gut!
Den letzten Tag in Irkutsk wollten wir eigentlich mit ein wenig Shopping vertrödeln. Wir waren auch in diversen Einkaufszentren. Aber ich sag mal so, der russische Klamottengeschmack ist dann doch eher „special“.
Stattdessen machten wir es den Russen nach und flanierten noch ein wenig durch die Stadt, vorbei an ziemlich vielen Leninstatuen, Leninbüsten, Leningedenktafeln usw…
Inzwischen sind wir schon mit der Transsibirischen Eisenbahn auf dem Weg nach Ulan Bator in der Mongolei. Von der Fahrt gibts dann hier bald mehr!