Kaum in Ulaanbaatar angekommen, wurden wir gleich zweimal positiv überrascht. Als die Zugtüren aufgingen, kamen schon die ersten Gesandten der Touristenagenturen auf uns zu, um uns ihre Flyer in die Hand zu drücken. Und jene Gesandten sprachen allesamt Englisch!
Nach den Kommunikationsschwierigkeiten in Russland eine wahre Wohltat.
Dann fragte uns eine Dame vor der Wechselstube, ob wir Interesse an einer mehrtägigen Tour hätten. Wir verneinten dankend, wir hatten ja schließlich schon eine Tour von zu Hause aus gebucht. Trotzdem bot sie an, uns in ihrem Agentur-Minibus mit in die Stadt zu nehmen. Wir fragten nach dem Preis, doch sie wollte nichts. Es wären ja schließlich noch zwei Plätze frei. WOW! Normalerweise zahlt man für die erste Taxifahrt immer den dreifachen Preis und hier wird man einfach umsonst in die Stadt mitgenommen!
Am Hostel angekommen der erste kleine Dämpfer: Keiner da! Eine amerikanische Touristin, die zufällig in der Lobby des Hostels saß, öffnete uns die Tür und sagte uns, dass die Rezeption erst ab 11:00 Uhr geöffnet habe. Ok, was nun?
Wir entschieden uns dazu unsere Rucksäcke in die Lobby zu werfen, und erst einmal das Stadtzentrum von Ulaanbaatar zu erkunden, wir hatten nämlich erst 08:10 Uhr.
Pech im Unglück, an unserem Anreisetag war auch der Eröffnungstag des Naadam. Dieser Tag ist in der Mongolei ein Feiertag und so ziemlich alle Geschäfte, Cafés und Restaurants haben geschlossen.
Das Naadam ist übrigens so etwas wie die olympischen Spiele der Mongolei. Allerdings nur in den drei traditionellen Disziplinen Ringen, Bogenschießen und Pferderennen. Das ganze Land steht während der drei Tage Kopf!
Das Glück im Unglück: Wir konnten live die pompöse Eröffnungsfeier vor dem Parlament verfolgen. Einige ausgewählte Athleten kamen unter großem Jubel der Bevölkerung in traditionellen Gewändern, singend auf den großen Chingis Kahn Square geritten, und hielten eine militärisch anmutende Zeremonie ab. Verstanden haben wir nix, nett anzusehen war es trotzdem.
Nach dem Zinober konnten wir endlich im Hostel einchecken und pooften erst mal ein wenig Schlafentzug weg.
Des Abends fanden wir dann tatsächlich ein typisch mongolisches Restaurant, in dem wir eine erstaunlich langweilige Dumpling-Suppe zu Abend aßen. Zur Kulinarik später mehr, so viel sei aber verraten: In die Mongolei fährt man nicht wegen dem Essen.
In einer schönen Bar direkt neben dem Süchbaatar Square ließen wir uns noch ein Chingis Bier schmecken uns schauten uns das Treiben auf dem Platz an. Dort war nämlich anlässlich des Naadam eine große Bühne aufgebaut, auf der mongolische Popkünstler Ihre Songs zum Besten gaben. Der Kulturschock saß tief.
Anschließend ab is Bett, um 8 Uhr sollten wir am nächsten Morgen zu unserer dreitägigen Tour in die Zentralmongolei abgeholt werden. Zu Ulaanbaatar gibt es mehr weiter unten im Text.
Pünktlich zur vereinbarten Abholzeit saßen wir also am nächsten Morgen auf der Treppe vor unserem Hostel.
08:15 Uhr, 08:20 Uhr, 08:25 Uhr… Um 08:30 Uhr wurden wir dann etwas nervös und riefen in der Reiseagentur an. Nichts, es ging niemand ran.
Dann um 08:45 Uhr kam endlich jemand mit einem großen Schild der Reiseagentur auf uns zu. Es war unser Guide Ashley, die ein bisschen mitgenommen wirkte. Sie erzählte uns, dass sie erst diese Nacht von einem Touristenausflug zu einem Pferderennen außerhalb von Ulaanbaatar zurück gekommen war.
Dann kam auch schon unser Fahrer Ed auf den Parkplatz gebraust. Ed, so erfuhren wir im Laufe der Tour, ist im „wahren Leben“ auch noch Bio-Lehrer und war auch schon der Lehrer von Ashley. Er hatte auch ein Faible für Tattoo-Ärmel und konnte leider kein Wort Englisch.
Da wir ca. 5 Stunden fahrt bis in die Zentralmongolei vor uns hatten, lud Ed flott unsere Rucksäcke in seinen geländegängigen Minivan und wir machten uns auf den Weg. Auf der Fahrt erzählte uns Ashley ein paar wenige Fakten zur Mongolei, um uns anschließend über Deutschland und Europa auszuquetschen. Wie lebt man dort, was kostet alles, wo kann man am besten studieren… Moment mal, wer ist denn hier jetzt der Guide von wem?
Als Ashley ihren Wissensdurst (vorerst) gestillt hatte, bekamen wir aber auch wieder mehr guidance zur Mongolei und unserer Tour. Nach nicht ganz 5 Stunden Fahrt durch die Steppe erreichten wir unseren ersten Stopp, ein sogenanntes Touristencamp im Hugnu Khan Nationalpark. In diesem Camp sind mehrere originale Jurten für Touris aufgebaut und am Rande des Geländes gibt es ein Holzhaus mit Duschen, WCs, Speisesaal und einer Bar.
Wir bezogen erst einmal unser Quartier für die Nacht. So eine Jurte ist eigentlich gar nicht mehr mit einem normalen Zelt vergleichbar. Sie ist riesig groß, man kann auch als größer gewachsener Mansch locker darin stehen und es passen richtige Betten hinein. Das war sehr viel komfortabler als viele Hostels, in denen wir dahinvegetiert hatten und es war sogar relativ kühl. Wir hatten nämlich während des gesamten Ausflugs über 34°C zur Mittagszeit. Das Klima ist in der Mongolei generell vor allem eins: trocken.
Gegen 18:00 Uhr dann Abendessen. Als erster Gang gab es einen ziemlich guten Karottensalat, dann eine langweilige Suppe und als Hauptgang zwei Frikadellen, die aber ganz ok waren. Die Camps haben sich auf den Geschmack der Touristen eingestellt. Essen ist für Europäer in der Mongolei so eine Sache. Gemüse gibt es hier kaum. Wer Gemüse isst, wird hier als Ziege verspottet, so erzählte uns Ashley.
Möchte man original mongolisch essen, sollte man schon hart gesotten sein. Eine echte mongolische Mahlzeit besteht meist aus Fleisch und Innereien von Ziegen, Hammeln oder manchmal auch Kamelen und Rindern. Als Gewürz kommt ausschließlich Salz zum Einsatz. Wenn man Glück hat, gibt es noch ein bisschen Kohl, Kartoffeln oder Karotten dazu. Ein ausgewogenes oder gar vegetarisches Gericht findet man bestenfalls in Ulaanbaatar.
Frisch gestärkt machten wir noch einen kleinen Ausflug zu einem nahegelegenen Tempel, dessen eigentliches Highlight die fantastische Aussicht auf das Tal des Nationalparks war. Die Landschaft der Zentralmongolei ist ohnehin faszinierend. Manchmal kommt es einem vor, man wäre auf dem Mars, ein paar hundert Meter weiter ist wieder alles saftig grün. Und überall in der Steppe sieht man riesige, nach Futter suchende Schafs- und Ziegenherden umherziehen. Manchmal auch Kamele und Pferde.
Nach dem Ausflug gab es für uns noch ein „Golden Gobi“ Bierchen und einen langen Plausch mit Ashley, der dann doch deutliche kulturelle Unterschiede sichtbar machte. Ashley ist alleinerziehende Mutter eines 6 Monate alten Sohnes. Sie erzählte uns, dass mongolische Ärzte dazu raten, in den ersten vier Wochen nach der Geburt ausschließlich Fleischsuppe und Fleisch zu sich zu nehmen und auf keinen Fall zu duschen. Man darf sich auch nur mit warmem Wasser die Finger waschen und wenn man nach draußen geht, hat man sich die Ohren mit Watte zu verschließen. Außerdem mögen die Mongolen Chinesen nicht besonders. Wie Ashley uns erklärte, liegt das unter anderem daran, dass die Chinesen menschliche Föten äßen. Diese Statements ließen uns irgendwo zwischen Verstörtheit, Unglaube und Amüsement zurück, wirkte Ashley doch eigentlich alles andere als unaufgeklärt oder ungebildet.
Am nächsten Morgen machten wir uns direkt nach dem Frühstück auf den Weg zu den Elsen Tasarkhai Sanddünen, wo wir bei einer Nomadenfamilie „eingeladen“ waren. Im Gebiet angekommen, stellte sich heraus, dass die Familie nicht einfach zu finden war. Ed musste sich eine halbe Stunde lang bei den ansässigen Nomaden durchfragen, wo besagte Familie zu finden sei. Wie man sich denken kann, haben Nomaden ja keine feste Adresse 🙂
Dank dem alten Detektiv/Bio-Lehrer/Fahrer Ed fanden wir die Familie aber trotzdem und waren erst einmal etwas überrascht. Wer nämlich glaubt, die Nomaden in der Mongolei würden den ganzen Tag mit landestypischen Kostümen bekleidet in ihren karg ausgestatteten Jurten abhängen, täuscht sich gewaltig. Bei den modernen Nomaden geht der Trend zur Drittjurte und dank großem Solarpanel und Satellitenantenne gibt es auch Kühlschrank, elektrisches Licht und Fernseher. Selbstversorger sind sie auch nicht mehr, sondern führen meist ernstzunehmende landwirtschaftliche Betriebe und besitzen LKW und Jeep um Ihrer Arbeit auch richtig nachgehen zu können.
Die Familie, die wir besuchten, führt beispielsweise eine Kamelzucht und liefert die Kamelwolle nach Ulaanbaatar, wo sie zu einem begehrten Stoff weiterverarbeitet wird.
Dieser Umstand brachte uns schon auf den nächsten Programmpunkt: Wir durften auf seinen Kamelen reiten. Ohne Sattel.
Nach meiner weniger guten Elefantenerfahrung in Thailand 2011, bin ich jetzt bekanntlich nicht der größte Fan davon, sehr große Tiere zu reiten.
Nach ein wenig Eingewöhnung war es aber eigentlich ganz ok. Und als wir mit den Viechern dann durch die Sanddünen ritten, kam schon ein wenig Saharafeeling bei mir auf.
Mit Kamelaroma an der Hose fuhren wir dann zum nächsten Ziel der Rundfahrt, dem Erdene Zuu Kloster. Dieser buddhistische Komplex wurde im 16. Jahrhundert erbaut und ist das älteste Kloster in der Mongolei. Die meisten Gebäude kann man besichtigen. Nur ein kleineres Gebäude am Rand des Areals darf nicht betreten werden, dort ist noch richtiger Klosterbetrieb. Dieser Teil unseres Ausfluges war definitiv ein Highlight!
Anschließend ging es dann über ziemlich holprige und steile Sandpisten zum Ugii-See, wo unsere letztes Nachtquartier lag. Das Ufer des Sees war ringsherum(!) zugeparkt mit Autos. Neben jedem Auto stand mindestens ein Zelt und ein Grill. Die Mongolen genießen so ihr Wochenende, indem sie an schönen Plätzen einfach zelten. Campingplätze oder Gesetze gegen Wildcampen gibt es nicht. In unserem Jurtencamp waren außer uns und zwei Radreisenden aus Kanada kein weiterer Tourist. Das Camp war aber von Mongolen, die Ihr Wochenende dort verbrachten und lautstark feierten trotzdem völlig ausgebucht. Am Abend spielen wir mit Ashley und Ed noch das traditionelle „anklebone game“, ein unterhaltsames Geschicklichkeitsspiel, dass mit abgekochten Fußknochen von Ziegen gespielt wird. Ein Exemplar bringen wir mit nach Hause.
Am nächsten Morgen stand dann der lange, staubige Rückweg nach Ulaanbaatar an. Als Zwischenstopp war der Hustai Nationalpark geplant. In diesem Nationalpark wird eine kleine Population von Perzevalski Wildpferden gehegt und gepflegt. Bevor wir in den Park einfuhren, erklärte uns Ashley, dass die Chance, zur Mittagszeit Wildpferde zu sehen relativ gering sei. Nach einer Stunde aufmerksamer Beobachtung der Bergkuppen und der Sichtung wilder Hirsche und Adler hatten wir aber trotzdem das Glück, die recht kleinen Wildpferde beobachten zu können. Wunderbar!
Zurück in Ulaanbaatar nahmen wir uns vor, die Stadt noch weiter zu erkunden. Leicht gesagt bei 38°C. Allgemein ist UB (JuhBieh – wird im täglichen Sprachgebrauch auch verwendet) eine sehr moderne Stadt mit guter Infrastruktur. Es gibt moderne Architektur, viel Gastronomie und sogar ein gut ausgebautes Netz von Fahrradwegen. Den Stadtplan. den wir bei unserer Ankunft erhalten haben, war leider nicht mehr so aktuell. Das Naturkundemuseum gibt es leider nicht mehr. So wie das Gebäude aussah, schon sehr lange nicht mehr.
Gut, dann halt ab zum Nationalmuseum. Dieses ist sehr liebevoll gepflegt und die Geschichte des Landes ist schön aufbereitet. Sogar der Raumanzug des ersten mongolischen Kosmonauten ist ausgestellt. Dieser war mit einer russischen Sojus Mission im All.
Dem heißen Wetter geschuldet suchten wir schwitzend nach weiteren klimatisierten Sehenswürdigkeiten. Die Auswahl fiel somit auf die große Shopping Mall in der Peace Avenue, die überraschend gut sortiert, und gar nicht nervig war. Außerdem gibt es wenige Meter vom Haupteingang entfernt ein Beatles Denkmal. In der Mongolei!
Zum Abschluss gab es noch ein koreanisches Festessen. Viel mehr ging leider nicht, wir mussten am folgenden Morgen doch sehr früh raus um die Transsib nach Peking zu erwischen.
Dazu aber später mehr.