Morgens halb Sieben in Irkutsk: Der Wecker klingelt, zwei müde Reisende packen ihre Rucksäcke und schlurfen zu ihrem Taxi. Ab gehts zum Bahnhof, die transsibirische Eisenbahn wartet!
Mit uns im Taxi sitzen zwei Finnen, die schon mit der „Transsib“ nach Irkutsk gekommen sind. Sie erzählen uns schon einmal, wie es so in dem legendären Zug zugeht.
Am Bahnhof angekommen sehen wir die riesige Anzeigetafel auf der alle Züge in russisch und in Moskauer Zeit angezeigt werden. Gut, dass die beiden Finnen etwas russisch können und uns sagen, auf welchem Gleis der Zug abfährt.
Wir begeben uns auf Gleis 4, wo der mächtige 500 Meter lange Zug schon eingefahren ist. An den geöffneten Wagontüren stehen schon die Schaffner in ihren Uniformen bereit. Jeder Wagen hat zwei Schaffner (Wagenmuttis). Wir sind in Wagen Nr. 3 untergebracht, an dessen Tür Ludmilla schon auf uns wartet, um unsere Tickets und Pässe zu kontrollieren. Ludmilla ist die resolute aber gut gelaunte Mutti von Wagen 3. Sie gewährt uns Einlass und wir hiefen uns und unser Gepäck die steile Treppe des Wagons hoch.
Der Gang vorbei an den Abteils ist schmal und der Boden mit einem roten Teppich, der zumindest optisch aus den Siebzigern stammt, ausgelegt. An beiden Enden des Ganges befinden sich rustikale Toiletten aus Edelstahl, deren Inhalt beim Betätigen eines Fußschalters direkt auf die Gleise fällt. An einem Ende, gegenüber des Arbeitsplatzes von Ludmilla, steht der „Samovar“. Ein großer Kessel voll mit heißem Wasser, mit dem man sich während der Fahrt Tee oder Instantnudeln zubereiten kann.
Die Abteils strahlen ebenfalls siebziger Jahre Soviet-Charme aus, sind aber recht großzügig und sehr komfortabel. Die Abteils scheinen für die Ewigkeit gebaut zu sein, alleine die Leselampe am Kopfende der Liegen macht den Eindruck, als könne sie ohne größeren Schaden von einem Panzer überrollt werden. Die Kippschalter für die Leselampen und die Abteilbeleuchtung quittieren eine Betätigung mit einem satten, lauten „KLACK“, als ob man ein Flugzeugtriebwerk einschalten wolle.
Wir reisen in der 2. Klasse, das heißt, dass wir in einem Abteil mit vier Betten residieren. Momentan sind wir aber noch alleine im Abteil. Auf jedem Bett liegen eine Rollmatratze, ein Kopfkissen und eine Decke bereit. Frische Bettwäsche bekommen wir von Ludmillas Kollegin gebracht. Während wir unsere Betten beziehen, gibt es einen ordentlichen Ruck und der riesige Zug setzt sich behäbig in Bewegung.
Wir haben es uns auf unseren Pritschen gemütlich gemacht und sehen die sibirischen Wälder an uns vorbeiziehen. Mit der Transsib reisen ist ein entschleunigendes Reisen. Hier geht nichts wirklich schnell, noch nicht einmal die Fahrt. Gerade mal 70km/h beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit des Zuges.
Wir fahren am Baikalsee vorbei, über riesige, rostige Eisenbahnbrücke überqueren wir tiefe Täler und Stunde um Stunde ändert sich die Landschaft vor dem Fenster. Die Bäume werden weniger, die Hügel mehr.
Nach 8 Stunden erreichen wir Ulan Ude, den letzten Halt in Russland. Der Zug hält hier 45 Minuten, weil noch zusätzliche Wagen angehangen werden und die Elektrolok gegen eine Diesellok ausgetauscht wird. Es steigen noch zahlreiche Personen zu und so bekommen auch wir Gesellschaft in unserem Abteil. José aus Spanien belegt jetzt die Liege Nr. 15.
Eigentlich wird der Zug nur noch von Touristen benutzt. Als eigentliches Transportmittel hat das Flugzeug den Traditionszug längst abgelöst, es ist schneller und günstiger.
Nach mehreren Folgen „Fest & Flauschig“ und „Gästeliste Geisterbahn“ sind wir an der russisch/mongolischen Grenze angekommen. Jetzt heißt es: Pass raus und warten, warten, warten. Dann kommen erst die russischen Grenzbeamten. „Passport please“, „stand up!“, „sit down!“. Der Ton ist rau und die Pässe werden genauestens kontrolliert. Dann endlich der Ausreisestempel. Einige Minuten später kommt der Russische Zoll und kontrolliert in jedem Abteil ein Gepäckstück stichprobenartig. Welchen Rucksack hat es wohl in unserem Abteil getroffen? Klar, meinen! Aber als ich meinen Dreckwäschesack und die erste Lage T-Shirts ausgeräumt habe, winkt der Zollbeamte schon ab und geht zum nächsten Abteil. Bock hat der auch nicht so richtig. Wieder einige Minuten später kommt ein russischer Zollbeamter mit einem deutschen Schäferhund, scheucht uns aus dem Abteil, lässt den Hund kurz schnuppern und geht weiter.
Jetzt ist erst mal für eine halbe Stunde Ruhe. Dann fällt der Zoll der mongolischen Seite ein. Alle raus aus dem Abteil, kurz die Sitzbänke angehoben, Blick in die Gepäckablage und weiter zum nächsten Abteil.
Zweieinhalb Stunden stehen wir am Grenzübergang, bis der Zug sich wieder in Bewegung setzt.
Nach einer halben Stunde Fahrt stoppt der Zug wieder. Er hält nun an einem kleinen mongolischen Bahnhof mitten im Nirgendwo. Hier findet die Einreise in die Mongolei statt. Zwei freundliche Grenzbeamtinnen sammeln unsere Pässe ein und geben uns Arrivalcards zum Ausfüllen. Nach 40 Minuten sind die Beiden samt Pässen und Einreisestempeln wieder da. Wir nehmen unseren Pass entgegen, geben die ausgefüllte Arrivalcard ab, das wars. Nach einer Stunde sind wir in der Mongolei eingereist und der Zug fährt weiter.
Inzwischen ist es 23:30 Uhr. Alle machen sich bettfertig und José haut sich noch ne Portion Instantnudeln rein. Dann ist erst mal Ruhe in der Transsib.
Um 05.50 Uhr reißt Ludmilla die Tür vom Abteil auf und ruft uns etwas russisches entgegen. Keiner hat was verstanden, aber die Uhrzeit lässt darauf schließen, dass wir in einer Stunde in Ulaanbaataar ankommen werden. Also schnell angezogen, die Sachen zusammen gepackt und die Betten abgezogen. Die Bettwäsche holt Ludmillas Kollegin wieder ab. die Landschaft vor dem Fenster sieht schon so aus, wie man es von der Mongolei erwartet und in der Ferne kann man schon die ersten Jurten der Nomaden erspähen.
Wir rollen in den Bahnhof von Ulaanbaataar ein, die Türen öffnen sich. Under erster Abschnitt mit der transsibirischen Eisenbahn ist geschafft.
Wie es in der Mongolei weitergeht, lest ihr hier später. Nur so viel sei verraten, ich habe diesen Bericht in einer Jurte irgendwo in der Zentralmongolei getippt. Und das ziemlich schnell, denn Laptop aufladen ging hier nicht.