In China ist alles viel größer als wir es gewohnt sind. Die Straßen, die Städte, die Warteschlangen und auch die Bahnhöfe. Der Bahnhof in Peking hat ungefähr die Größe von einem internationalen Flughafen. Fährt man mit einem Schnellzug, ist der Weg bis zum Zug auch ähnlich wie der an Flughäfen zum Flugzeug. Ticket und Passkontrolle, das Gepäck wird durchleuchtet und man wartet anschließend am entsprechenden Gate auf den Zug.
Steht der Zug bereit, ergießt sich ein Strom von Menschen auf den Bahnsteig, die Züge fahren sehr pünktlich ab und niemand will seinen verpassen.
In den Schnellzügen hat man selbst in der zweiten Klasse unglaublich viel Beinfreiheit. Eine Heerschar von Zugbegleitern wuseln um einen herum, es gibt warmes Essen und nach jedem halt wird der Gang einmal feucht durchgewischt. Die ultramodernen Züge gleiten fast lautlos mit bis zu 380km/h durch die Gegend und das mit funktionierender Klimaanlage! Für uns der größte Kulturschock bisher.
Nach einer herrlich entspannten Fahrt kamen wir also in Xi‘an, der ehemaligen Hauptstadt Chinas an. Auch hier kommt man verblüffend einfach mit der U-Bahn ins Stadtzentrum. Als wir die U-Bahnstation verließen waren wir erst einmal überrascht. Saubere Luft, großzügige Gehwege, schöne Architektur und sogar Grünflächen! Vor uns die mächtige Stadtmauer mit dem riesigen Südtor. Die Stadtmauer umschließt die gesamte Innenstadt von Xi‘an. Xi‘an war bis vor 600 Jahren die Kaiserstadt Chinas, bis irgendein mächtiger Typ beschloss, dass jetzt Peking die Hauptstadt sein soll. Auf der Suche nach unserem Hotel verliefen wir uns in dem wunderschönen Park an der Stadtmauer und uns dämmerte schon, dass wir für diese Stadt viel zu wenig Zeit eingeplant hatten. Im Hotel angekommen buchten wir noch flugs unsere Tour zur Terrakotta-Armee für den nächsten Tag, denn dafür hatten wir den Halt in Xi‘an eigentlich eingeplant.
Da es schon Abend war, erkundeten wir im Halbdunkel die wunderschöne Innenstadt und genossen die für die Stadt typischen Biangbiang-Nudeln. Das sind frische, handgezogene Nudeln mit allerhand Toppings und ordentlich Chiliöl, ein echter Genuss!
Nach der Stärkung entdeckten wir den Nachtmarkt von Xi‘an, der ganze Straßenzüge für sich beanspruchte. Auf dem Nachtmarkt tobt das wahre asiatische Leben, die unzähligen Straßenköche buhlen lautstark um Kundschaft, überall wird Fleisch gehackt und durch die Straßen wabern aromatische Wolken aus Sternanis, Hammelfleisch und gegrilltem Fisch. Durch die proppenvollen Gassen drängeln sich hupende Mopeds und Tuktuks und die allgegenwärtigen Neonlichter sorgen für Reizüberflutung. Und all das bei über 30 Grad, das ist Asien!
Nach so viel Input brauchten wir erst mal etwas Schlaf, die Tour zu der Terrakotta-Armee startete sowieso schon früh am nächsten Morgen.
Pünktlich um neun wurden wir dann auch abgeholt und zu einem schon gut gefüllten Kleinbus gebracht. Dort drinnen waren einige Nationen versammelt, man kam schnell ins Gespräch. Die allermeiste Redezeit beanspruchte allerdings eine Amerikanerin, die buchstäblich pausenlos redete. Gut, dass wir nach einer Stunde schon den ersten Stopp an einer Terrakotta-Werkstatt machten. Dort erklärte uns ein Guide, wie die Figuren damals hergestellt wurden. Die Beine z.B. waren im Prinzip eine Serienproduktion und eigentlich bei allen Figuren gleich. Der Torso und die Köpfe hingegen wurden für alle Soldaten individuell hergestellt. Die Köpfe waren bei allen Figuren austauschbar und wurden auf den Körper aufgesteckt. Die Informationen in der Werkstatt waren ganz interessant, der Hauptgrund für den Stopp war aber eher, die Touris durch das an die Werkstatt angeschlossene Souveniergeschäft zu schleusen.
Nachdem alle fleißig eingekauft hatten, ging es dann endlich weiter zu der eigentlichen Ausgrabungsstätte. Wir nahmen unsere Tickets in Empfang, dann kam die in China obligatorische Gepäck-und Passkontrolle. Generell werden in China fast überall Taschen durchleuchtet und Pässe kontrolliert oder gescannt.
Nach dem uns Einlass gewährt wurde, marschierten wir durch die sengende Mittagssonne zu den riesigen Hallen des Museums. Insgesamt gibt es drei Gruben, die man besichtigen kann. Grube Nr. 1 ist die größte und bekannteste. In der riesigen Halle reihen sich hunderte der zerbrechlichen Soldaten auf. Sogar Pferde aus Terrakotta stehen in den Gruben herum. Am Ende der Halle von Grube 1 sind die Arbeitsplätze der Wissenschaftler. Hier werden noch immer in Sysiphusarbeit Figuren aus Bruchstücken zusammengepuzzelt und restauriert.
In der nächsten Halle befindet sich die deutlich kleinere Grube Nr. 2, hier kann man sowohl bereits restaurierte Krieger, als auch Felder aus Bruchstücken, also so wie man die Figuren vorgefunden hat, besichtigen. Die Grube Nr. 3 ist ein freigelegtes aber ansonsten noch nicht angefasstes Feld, das im Laufe der nächsten Jahre erforscht werden soll.
Das Museum ist wirklich toll und gepflegt. Allerdings sind Infotafeln sehr rar und ohne menschlichen- oder Audioguide bekommt man unter Umständen relativ wenig Informationen.
Nachdem sich die Reisegruppe wieder zusammengefunden hatte, aßen wir in eine nahegelegenen Restaurant noch gemeinsam zu Mittag und machten uns auf den Rückweg nach Xi‘an. Die mitteilungsfreudige Amerikanerin hatte noch immer genug Energie lautstark den Tag Revue passieren zu lassen. Der Rest der Gruppe machte nach dem heißen Tag allerdings lieber ein Nickerchen.
Zurück im Hotel war es schon Abend und wir ließen uns noch ein letztes Mal über den Nachtmarkt treiben. Xi‘an hat aber so viel mehr zu bieten als „nur“ die Terrakotta-Armee und einer riesigen Fressmeile. Dieses Mehr blieb uns aber leider verwehrt, da unser Zug nach Shanghai schon am nächsten Morgen startete. Wir haben uns leider komplett verschätzt, denn hier hätten wir gerne noch ein paar Tage mehr verbracht. Xi‘an ist eigentlich die schönere Hauptstadt.